Geschäftsführer müssen aufpassen, wenn Betriebsübergang bevorsteht!
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in einem Urteil vom 20. Juli 2023 (Az. 6 AZR 228/22) klargestellt, dass der Kündigungsschutz gemäß § 613a BGB auch für Geschäftsführer gilt, die auf Grundlage eines Arbeitsvertrags tätig sind, jedoch nur unter bestimmten Voraussetzungen. Konkret ging es darum, ob und wann ein Geschäftsführer vor einer betriebsbedingten Kündigung sein Amt niederlegen muss, um als Arbeitnehmer den Kündigungsschutz in Anspruch nehmen zu können.
Sachverhalt
Der Kläger war zunächst kaufmännischer Angestellter und später Geschäftsführer bei der Beklagten. Ein schriftlicher Geschäftsführerdienstvertrag wurde jedoch nicht abgeschlossen, sodass der Stellung als Geschäftsführer ein Arbeitsvertrag zugrunde lag. Am 15. Januar 2020 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers zum 30. April 2020. Diese Kündigung erreichte den Kläger am Vormittag des 16. Januar 2020. Noch am gleichen Tag legte der Kläger sein Amt als Geschäftsführer nieder, und zwar per E-Mail um 14:56 Uhr. Er argumentierte später, dass aufgrund der Amtsniederlegung und eines Betriebsübergangs sein Arbeitsverhältnis auf die neue Firma übergegangen sei und die Kündigung unwirksam sei. Leider kam er einige Minuten zu spät!
Entscheidung des BAG
Das BAG entschied, dass der Zeitpunkt der Amtsniederlegung für den Kündigungsschutz entscheidend ist. Da der Kläger sein Amt als Geschäftsführer erst nach dem Zugang der Kündigung niederlegte, galt er im Zeitpunkt des Zugangs weiterhin als Organmitglied der Gesellschaft. Dies schließt den Kündigungsschutz nach § 1 KSchG aus, da für Organmitglieder in Führungspositionen die Regelungen des Kündigungsschutzes nicht gelten (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG). Das Gericht stützte sich auf den Trennungsgrundsatz, der zwischen Organstellung und dem zugrundeliegenden Arbeitsverhältnis unterscheidet.
Wichtige Details der Entscheidung:
- Zeitpunkt der Amtsniederlegung: Für den Schutz als Arbeitnehmer muss ein Geschäftsführer sein Amt rechtzeitig vor einer erwartbaren Kündigung niederlegen. Eine zu spät erklärte Niederlegung – selbst wenn sie nur wenige Minuten nach dem Zugang der Kündigung erfolgt – führt dazu, dass die Person weiter als Organmitglied gilt und somit nicht unter den allgemeinen Kündigungsschutz fällt.
- Negative Fiktion des § 14 KSchG: Gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG ist der allgemeine Kündigungsschutz für Personen, die zur gesetzlichen Vertretung der juristischen Person berufen sind, ausgeschlossen. Die Niederlegung des Amts nach Zugang der Kündigung bleibt rechtlich ohne Einfluss auf den Kündigungsschutz.
- Trennungsgrundsatz: Die Entscheidung betont die Unabhängigkeit der Organstellung von einem bestehenden Arbeitsverhältnis. Auch wenn das Anstellungsverhältnis als Arbeitsvertrag definiert ist, führt allein die Funktion als Geschäftsführer dazu, dass der Kündigungsschutz ausgesetzt ist.
- Handelsregistereintrag: Der BAG stellte fest, dass die Eintragung im Handelsregister für die Wirksamkeit der Amtsniederlegung irrelevant ist. Eine Niederlegungserklärung ist formfrei und fristlos möglich, ohne dass eine Eintragung im Handelsregister erforderlich ist. Die Eintragung wirkt nur deklaratorisch und beeinflusst die Beurteilung der Kündigung nicht.
- Betriebsübergang und Weiterbeschäftigung: Bei einem Betriebsübergang gehen laut § 613a BGB nur Arbeitsverhältnisse, nicht aber Organstellungen auf den neuen Arbeitgeber über. Nur wenn das Amt rechtzeitig niedergelegt wird, kann ein Geschäftsführer den Arbeitnehmerstatus beibehalten und so eine Fortführung des Arbeitsverhältnisses beim neuen Betriebsinhaber beanspruchen.
Fazit und Praxisrelevanz
Das Urteil verdeutlicht, dass Geschäftsführer, die im Falle eines Betriebsübergangs den Kündigungsschutz in Anspruch nehmen möchten, ihr Amt rechtzeitig – und wenn nötig minutengenau – vor einer Kündigung niederlegen müssen. Andernfalls bleibt die Position als Organmitglied bestehen, was den Kündigungsschutz gemäß § 1 KSchG ausschließt. Diese Entscheidung ist insbesondere für Unternehmen und Geschäftsführer relevant, die in Umstrukturierungsprozesse involviert sind, da sie klare Vorgaben zur Trennung der Organstellung und des Arbeitsverhältnisses vorgibt.
Zu betonen bleibt aber auch, dass es bei Kündigungen von Geschäftsführern und ihrer Wirksamkeit viele Besonderheiten gibt. Es kommt z. B. auch darauf an, ob jemand wirklich als Geschäftsführer tätig war oder nur ein sog. pro forma Geschäftsführer und tatsächlich weisungsabhängig.
Sind Sie Geschäftsführer und wurden entlassen? Rufen Sie uns an. Wir beraten Sie gerne zu Ihren Rechten!