Wie hoch kann eine Abfindung sein?

Immer wieder fragen Mandanten mich, wie hoch eine Abfindung sein könnte, die Sie bekommen können. Die Antwort ist: „Es kommt darauf an.“

Zunächst ist es wichtig zu wissen, dass es von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen, keinen allgemeinen Anspruch des Arbeitnehmers / in auf eine Abfindung oder verbindliche Formeln gibt, wie die Abfindung zwingend zu berechnen ist. Auch ein Richter / in kann grundsätzlich eine Abfindung nicht nach seinem Ermessen einfach festsetzen. Vielmehr handeln die Parteien in der Regel eine Abfindung aus, wenn der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer loswerden will und keinen Grund findet, der vor Gericht Bestand haben könnte. Das setzt voraus, dass das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet. Auch außerhalb des Anwendungsbereichs des Kündigungsschutzgesetzes habe ich bereits sensationell hohe Abfindungen ausgehandelt, jedoch ist das schon sehr viel schwerer, als wenn das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet. Abfindungsverhandlungen sind nicht ganz ein Bazar, aber diesem doch ziemlich vergleichbar, wenn es auch wichtige Faktoren gibt, die bei den Verhandlungen eine ganz maßgebliche Rolle spielen. Das sind: Alter des Arbeitnehmers, d.h. wie schwer es für ihn/sie auf dem Arbeitsmarkt wird, eine andere gleichwertige Anstellung zu finden, Dauer der Betriebszugehörigkeit, festgestellte Schwerbehinderung, Zahl der Unterhaltsberechtigten (also Kinder, Ehefrau etc.) u.a. Alle diese Faktoren spielen in die Höhe der Abfindung rein, d.h. je älter jemand ist, je mehr Unterhalt er zahlen muss, je länger er im Betrieb des Arbeitgebers tätig ist und erst recht, wenn er / sie schwerbehindert ist, treibt das die Abfindung in die Höhe. Es können aber auch „softe“ Faktoren für die Höhe der Abfindung eine ganz maßgebliche Rolle spielen, z. B. dass der Arbeitgeber eine öffentliche Gerichtsverhandlung vermeiden möchte. Das kann viele Gründe haben, z. B. Imageverlust.

Der Arbeitnehmer kann aber grundsätzlich, bis auf Ausnahmen, nicht auf Zahlung einer Abfindung klagen. Er kann, wenn er eine Kündigung erhalten hat, nur Kündigungsschutzklage erheben, wenn der Arbeitgeber sich außergerichtlich nicht auf eine Einigung einlassen möchte. Hier gilt es zwingend, die 21 Tage Frist (vgl. §§ 4, 7 KSchG) für die Erhebung der Kündigungsschutzklage zu beachten! Das Gericht entscheidet, falls die Parteien keine Einigung über eine einvernehmliche Aufhebung des Arbeitsverhältnisses erzielen (meistens ist das aber der Fall, zumindest unter Moderation des Richters/in), darüber, ob die Kündigung wirksam war oder nicht. Normalerweise geben Richter schon in der Güteverhandlung einen Hinweis, wie sie die Aussichten der Klage einschätzen. Wenn das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, sind diese meistens gut.

Stellen Sie sich die Abfindungsverhandlung wie folgt vor: Sie haben einen Arbeitsplatz. Diesen bieten Sie ihrem Arbeitgeber zum Rückkauf an. Verlangen Sie zu viel, könnte der Arbeitgeber abwinken und Sie auffordern, zurück an den Arbeitsplatz zu kehren. Das wollen die wenigsten Arbeitnehmer wirklich, da das Tischtuch mit einer Kündigung oft zerschnitten ist. Die Arbeitgeber wollen das in der Regel auch nicht, weil sich dann im Unternehmen herumspricht, dass ein Arbeitnehmer sich erfolgreich „zurückgeklagt“ hat. Aber das Risiko, dass der Arbeitgeber  bei zu hohen Abfindungswünschen den Verhandlungstisch verlässt und zu diesem Mittel greift, ist natürlich da. Auf der anderen Seite hat der Arbeitgeber das sog. Annahmeverzugsrisiko, wenn der keine einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses erreicht, z. B. weil er zu wenig anbietet. Er muss nämlich, falls der Arbeitnehmer die Kündigungsschutzklage gewinnt, das Gehalt nachzahlen, das der Arbeitnehmer in der Zwischenzeit verdient hätte, abzüglich dessen, was er anderweitig verdient hat oder hätte verdienen können. Hier ziehen die Gerichte die Zügel für Arbeitnehmer aber an. Er muss nachweisen, dass er sich ernsthaft um eine andere Stelle bemüht hat. Einzelheiten hierzu sind streitig.

Oft gibt es mehrere Verhandlungsrunden des „Abfindungspokers“, bis die Parteien sich ggf. einigen. Wie lange dieser Poker dauert, hängt auch davon ab, ob der Arbeitnehmer in der Zwischenzeit eine andere Anstellung gefunden hat oder nicht bzw. eine in Aussicht hat. Falls das der Fall ist, kann nochmal Bewegung in festgefahrene Verhandlungen kommen. Aber auch, wenn eine oder beide Parteien schlicht genug von dem Gerichtsprozess haben und sich anderen Themen zuwenden wollen, kann es auch in festgefahrenen Situationen zu einer Einigung kommen. Es kommt also immer darauf an, wie die Juristen so schön sagen.